Externe und interne Signale der Krise [1]
Krisen und Insolvenzen haben meist mehrere Ursachen, die nicht selten kumulieren. Die Praxis zeigt, dass einige „typische“ Alarmsignale auf den Eintritt einer Krise hindeuten. Diese können extern oder intern bedingt sein.
In der betriebs- und strafrechtlichen Literatur werden zudem bestimmte ungünstige Umweltbedingungen erwähnt, die den Eintritt einer Krise begünstigen können.
[1] Der Text ist zu wesentlichen Teilen mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Taschenbuch Verlages dem 3. Kapitel des in der 4. Auflage erschienenen Ratgeber Recht „Guter Rat bei Insolvenz“ von Hans Haarmeyer und Sylvia Wipperfürth ISBN 978-3-423-50773-8 entnommen.
- Konjunkturelle Einbrüche
- Wirtschaftliche oder steuerpolitische Maßnahmen der Regierung
- Branchenüberkapazitäten
- Änderung der Verbrauchergewohnheiten
- Konkurrenz durch ausländische Unternehmen aus sog. Billiglohnländern
- Strukturveränderung im Standortbereich
Die aus der Praxis gewonnenen Erfahrungswerte haben daneben einige Signale herausgebildet, die auf den Eintritt einer Krise hindeuten können. Diese müssen nicht kumulativ auftreten. Auch sind sie nicht zwingend gleich bedeutend mit einem wirtschaftlichen Engpass. Die Indikatoren mit Aufmerksamkeit zu würdigen und die weitere Entwicklung in der nahen Zukunft engmaschig zu beobachten, kann jedoch in
- Wechsel der Gesellschaftsform
- Einwechseln einer GmbH als persönlich haftender Gesellschafter in eine Personengesellschaft
- Ausscheiden persönlich haftender Gesellschafter
- Undurchsichtige Unternehmensverflechtung
- Grundlose Verlagerung des Firmensitzes
- Plötzlicher und grundloser Wechsel der Geschäftsführung
- Privatentnahmen der Geschäftsführer in beträchtlicher Höhe
- Überhöhter Kreditbedarf
- Änderung der Bankverbindungen
- Sich häufende ungerechtfertigte Reklamationen
- Forderung nicht vereinbarter Teilzahlungen
- Scheckrückgaben und Wechselproteste
- Stundungsersuchen
- Negative Mitteilung anderer Lieferanten
- Überziehen der Kreditlinie
- Versuch eines außergerichtlichen Vergleichs
- Häufiger Wechsel der Lieferanten
- Andere Lieferanten liefern nur gegen Vorkasse
- Extrem hohe Preisnachlässe und Rabatte
- Verschlechterung des Kundendienstes
- Erhöhte Reklamationen der Abnehmer
- Stilllegung von Betriebsteilen
- Kurzarbeit bzw. Anträge auf Genehmigung von Kurzarbeit
- Massenentlassungen
- Abbau des Vertreterstammes
- Kündigung qualifizierter Mitarbeiter
- Häufung von Mahnungen
- Vollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger
- Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung von Betriebsgrundstücken
- Fruchtlose Vollstreckungen bei dem betroffenen Unternehmen
- Abgabe der eidesstattlichen Versicherung
- Schlechte Auskünfte über das Schuldnerunternehmen
- Warnungen des eigenen Außendienstes bezüglich des betroffenen Unternehmens
- Branchengerüchte
Insbesondere die nachfolgenden Anzeichen gehen typischerweise mit einem Umschlagen von der Krise zur Insolvenz einher.
Eine Möglichkeit der Zwangsvollstreckung ist die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Der Schuldner wird erst zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geladen, wenn vorhergehende Pfändungsmaßnahmen fruchtlos waren. Diese kann durch Haftbefehl erzwungen werden, wenn sich der Schuldner der Abgabe verweigert. Ist diesem Stadium erreicht, deutet vieles darauf hin, dass Insolvenzreife eingetreten ist.
Wechsel- und Scheckproteste fallen eher in die erste Phase der Krise. Sie gehen einher mit dem Ausreizen des gerichtlichen Mahnverfahrens, also der Zahlung erst nach Erlass eines Mahnbescheides.
Werden Zahlungsziele lediglich ausgeschöpft, spricht dies nicht unbedingt für die Zahlungsunfähigkeit. Wer es sich erlauben kann, mag – auch auf Dauer – mit einem gewissen Lieferantenkredit arbeiten und muss in Kauf nehmen, dass die Skontomöglichkeiten nicht mehr in Anspruch genommen werden können. Dabei sollte allerdings nicht übersehen werden, dass die Inanspruchnahme von Lieferantenkrediten und der Verzicht auf Skonto zu den teuersten Finanzierungsformen zählen. Der Zinssatz bewegt sich bei einer Skontoziehungsmöglichkeit von 3 % innerhalb von 14 Tagen und der Ausschöpfung des Zahlungstermins von 30 Tagen bei erheblich über 60 % (!). Ein solches Verhalten dürfte kaum mit kaufmännischem Denken und Handeln in Einklang zu bringen sein. Zu beachten ist: Bei Schuldnern mit gesicherter Bonität akzeptieren die Gläubiger zum Teil auch ein „regelmäßiges“ Überschreiten von Zahlungszielen. Vorsicht mit vorschnellen Urteilen ist also geboten.
Kreditkündigungen durch Banken ziehen in aller Regel die sofortige Zahlungsunfähigkeit nach sich. Dies gilt regelmäßig selbst dann, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung alle übrigen Verbindlichkeiten außer Betracht gelassen werden können. Der Schuldner kann in dieser Situation mit kaum einem Argument durchdringen, da die Engagements meist derart hoch sind, dass die im Unternehmen vorhandene Liquidität eine Zahlung bei sofortiger Fälligkeit i. a. R. nicht sicherstellen kann. Sonstige Auffälligkeiten im Geschäftsleben, wie etwa der Abbruch von Geschäftsbeziehungen zu langjährigen Lieferanten oder das Unvermögen, angenommene Aufträge zu erfüllen, können ebenfalls auf die Krise hindeuten.
Auch die Notwendigkeit eines unbegründeten und/oder abrupten Wechsels der Hausbank kann ein Indiz für bereits eingetretene Insolvenzreife sein. Wechselt der Schuldner z. B. häufig die Bankverbindung mit einer Tendenz zu Kreditinstituten mit niedrigerem Renommee kann das ebenso ein Anzeichen für Zahlungsunfähigkeit sein.
Steuerrückstände und rückständige Sozialversicherungsbeiträge gelten insbesondere deshalb als Indiz der Zahlungsunfähigkeit, weil ihre Nichtzahlung eine Ordnungswidrigkeit bzw. Straftat ist. Wer dies in Kauf nimmt, so wird vermutet, hat seine sonstigen Reserven bereits ausgeschöpft. Das Angebot des Schuldners, mit seinen Gläubigern einen außergerichtlichen Vergleich abzuschließen, häufig verbunden mit einem Moratorium (Zahlungsaufschub), ist regelmäßig ein sicheres und im Nachhinein vom Schuldner nicht mehr zu widerlegendes Insolvenzanzeichen, wenn diese Vereinbarungen nicht eingehalten wurden.
Lohn- und Gehaltsrückstände, jedenfalls von mehr als einem Monat, sind das wohl gewichtigste Indiz der Zahlungsunfähigkeit überhaupt. Regelmäßig liegen in dieser Situation bereits weitere Indizien für die Zahlungsunfähigkeit vor.
Nicht zu verschweigen ist auch, dass auf Schuldnerseite bewusst Strategien entwickelt werden, sich dem Gläubigerzugriff zu entziehen. Dies geschieht aus einem menschlich möglicherweise nachvollziehbaren Eigeninteresse, jedoch vom Gesetzt als nicht tragbar angesehenem Verhalten und ist haftungs- und strafbewehrt. Ein anschauliches Beispiel für eine solche eigenmotivierte Strategie ist die vollständige Rückführung eines Kontokorrents bei der Hausbank von über 500 000 Euro über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten. Die Rückzahlung verfolgte das Ziel, die Inanspruchnahme der diesbezüglich bürgenden Gesellschafter zu vermeiden. Dies ist nicht vorwerfbar, wären in demselben Zeitraum nicht immer höhere Lieferantenverbindlichkeiten und Mietrückstände aufgelaufen. Es wurde aus Eigeninteresse strategisch umgeschichtet.
Nicht zu verschweigen ist auch, dass auf Schuldnerseite bewusst Strategien entwickelt werden, sich dem Gläubigerzugriff zu entziehen. Dies geschieht aus einem menschlich möglicherweise nachvollziehbaren Eigeninteresse, jedoch vom Gesetzt als nicht tragbar angesehenem Verhalten und ist haftungs- und strafbewehrt. Ein anschauliches Beispiel für eine solche eigenmotivierte Strategie ist die vollständige Rückführung eines Kontokorrents bei der Hausbank von über 500 000 Euro über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten. Die Rückzahlung verfolgte das Ziel, die Inanspruchnahme der diesbezüglich bürgenden Gesellschafter zu vermeiden. Dies ist nicht vorwerfbar, wären in demselben Zeitraum nicht immer höhere Lieferantenverbindlichkeiten und Mietrückstände aufgelaufen. Es wurde aus Eigeninteresse strategisch umgeschichtet.
Als eines der stärksten Anzeichen dürfte gelten, dass der Schuldner konkrete Vorbereitung zum „Untertauchen“ trifft oder die Umsetzung bereits vollzogen hat.